#102 – Der Dalai Lama und die Fliege

Der Dalai Lama und die Fliege
Coconut Life Podcast

Der Dalai Lama und die Fliege

Ich hatte mir fest vorgenommen, mich mit meiner Bewertung zurück zu halten. Die ganze Nummer hat fünf Minuten gedauert bis ich im Drogieriemarkt war. Dann fiel das gesamte Konstrukt in sich zusammen. Das hat mich zum Gegenstand der heutigen Podcastfolge geführt, in der ich mich folgenden Fragen widme:

Ist es eigentlich realistisch nicht zu bewerten? Gibt es auch Kontexte, in denen eine klare Bewertung von uns gefragt ist? Wo liegt die Grenze? Was das Ganze mit dem Dalai Lama zu tun hat, erfährst du in dieser Podcastfolge!

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Gut und Böse

Wir kennen es aus den unterschiedlichsten Weisheitslehren: Den Aufruf, sich im Beobachten ohne Bewertung zu üben. Aber ist das überhaupt realistisch? 

Wenn dir der Typ im Drogeriemarkt sechs Megapackungen Klopapier vor der Nase weg kauft und du – nüchtern wie du nun einmal warst – nach x-Wochen Quarantäne jetzt wirklich mal ne neue Packung benötigst, die dieser Typ dir vor der Nase weggeschnappt hat, kann dir schon einmal der Hut hochgehen. 

Die Bewertung ist an dieser Stelle Teil der menschlichen Natur. Der eigene Anspruch, nicht zu werten, wird hier eher zum eigenen Folterinstrument. „Ich soll doch nicht bewerten.“ „Hab ich jetzt aber getan.“ „Schande auf mein Haupt.“

Mal ehrlich, das ist doch Kacke und zudem kontraproduktiv. (Ja, mir ist klar, dass das eine Bewertung ist, gib mir noch ne Sekunde, ich bin noch nicht fertig ;-)) 

Wenn die Bewertung da ist, geht es darum, sie erst einmal anzunehmen und dich nicht dafür durch zu beleidigen. Ein erster wesentlicher Schritt. 

Das sowohl als auch

Viel wichtiger als eine vorhandene Bewertung ungeschehen zu machen, ist es aus meiner Sicht deine Bewertung zu nutzen und zwar konstruktiv. 

Eine Bewertung wird erst zum Folterinstrument, wenn wir sie mit dem Größenwahn verbinden, dass sie für alle zutreffend sein muss.   

Wenn ich zwei Menschen beobachte, die um ihre Realitätskonstruktion kämpfen (sprich darum, wer jetzt recht hat), beobachte ich mich dabei, dass ich beide Seiten nachvollziehen kann. Je nachdem, welche Werte und Präferenzen ein Mensch hat, wird er die Situation unterschiedlich beurteilen. Aus ihrer jeweiligen Logik heraus gesehen, sind erst einmal beide Varianten nachvollziehbar. 

Dazu ein Beispiel: Die eine Person ist angestellt und in einem Unternehmen, dem es auch in der Krise noch einigermaßen gut geht. Diese Person ist finanziell erst einmal gut versorgt und zudem sehr menschenliebend. Sie mag es nicht, Risiken einzugehen. Natürlich wird sie begrüßen, wenn alle Menschen zu Hause bleiben und sich möglichst nicht begegnen. 

Die andere Person besitzt ein Restaurant und ist von der Krise stark in ihrer Existenz betroffen. Sie sorgt sich auch um die Menschen, aber natürlich auch um ihre eigene Existenz. Sie wünscht sich, dass Lockerungen beschlossen werden, die sowohl ausreichend Schutz gewährleisten als auch ihr erlauben, ihre Existenz weiter aufrecht zu erhalten. 

Dann gibt es den Politiker. Der soll nun entscheiden und steht damit vor der Wahl zwischen Pest und Cholera. Eines ist sicher: im Nachhinein gibt es viele Schlaue, die es besser gewusst hätten. Er soll nun unter Druck die richtige Entscheidung treffen. Anstatt sich angreifbar zu machen und bewusst Risiken einzugehen, trifft er die sichere Entscheidung, die ihn am wenigsten angreifbar werden lässt. Aber ist das auch die Beste?

Anstatt die Bewertung zu verteufeln, sollten wir vielmehr in die Diskussion einsteigen ohne uns zurück zu ziehen oder darauf zu bestehen, recht zu behalten. Wir benötigen dringend konstruktive Auseinandersetzungen in der Sache mit dem Ziel die bestmögliche Entscheidung zu treffen, die uns im Augenblick möglich ist. 

Dazu müssen wir den Mut besitzen, uns aus der sicheren Zone heraus zu bewegen, wenn es sinnvoll ist. Dazu müssen wir Diskussionen ermöglichen anstatt sie abzuwürgen. Dazu müssen wir aushalten, mit unserer Meinung alleine da zu stehen. 

Vor allem aber müssen wir dem anderen zuhören können ohne ihn sofort in eine Schublade zu stecken und ein Label drauf zu kleben. Womöglich noch eines, das den anderen sofort diskreditiert. 

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Ying und Yang

Anstatt also die eigene Bewertung als die Wahrheit zu betrachten, die verteidigt werden muss, ist es sinnvoller, die Situation erst einmal aus den unterschiedlichen Perspektiven zu beleuchten. 

Vermeintlich unvereinbare Positionen nebeneinander stehen und gelten lassen zu können. Mit einem offenen Herzen. Will heißen: dem anderen zugewandt zu bleiben auch wenn du anderer Meinung bist. Offen zu bleiben, dass es andere Wahrheiten oder Realitätskonstruktionen gibt, die genauso ihre Berechtigung haben, wie deine. 

Dich zu fragen, wo du vielleicht zu schnell ein Urteil gefällt hast und dir einzugestehen, dass du sehr viel nicht weißt. Wenn dich ein Verhalten verletzt hat, ist die Gefahr sehr groß auf die dahinter liegende Absicht der anderen Person zu schließen. Tatsächlich hast du keine Ahnung, welche Absicht die andere Person verfolgt, es sei denn sie sagt es dir.

Hier geht es darum anzuerkennen, dass du das Verhalten Kacke gefunden hast (Bewertung). Das es dich verletzt hat (Auswirkung). Dass du nicht wissen kannst, warum die andere Person sich auf diese Art verhalten hat (Demut). Offen dafür zu bleiben, dass du dich unter bestimmten Umständen vielleicht genau so verhalten hättest (Nachsicht). Dir und allen Beteiligten zu vergeben (Liebe) – klingt vielleicht etwas schnulzig, ist aber heilsam. 

Das wiederum bedeutet nicht, dass du weiterhin Kontakt zu der betreffenden Person hast. Es kann entscheidend sein, gesunde Grenzen zu ziehen und dich zu entschließen, eigene Wege zu gehen. 

 

Du für dich?

Wenn es um unterschiedliche Positionen geht, ist es also entscheidend, dass du deine Bewertung erkennst und gleichzeitig offen und zugewandt bleibst. 

Dir gleichzeitig vergegenwärtigst, was dich etwas angeht und was nicht. Du bist erst einmal nur für deine Sichtweise verantwortlich. Die Bewertung der anderen Person geht dich nichts an. Gleichzeitig bist du dafür verantwortlich, für dich zu sorgen.

Was aber, wenn du feststellst, dass die andere Person Werte verletzt, die dir wichtig sind? Dann wirst du wahrscheinlich klar Stellung beziehen. Im Ergebnis aber beobachte ich, dass dies zu einem Kampf führt. Einem, in dem entschieden werden soll, wer recht oder die Moral auf seiner Seite hat. 

Was wäre, wenn wir als friedvoller Krieger agieren würden? Wenn es weniger darum ginge, etwas zu verteidigen als darum, miteinander in Kontakt zu bleiben? Zu erkennen, was gesehen und gelernt werden will und zwar von beiden Seiten? Wenn es ausschließlich darum ginge zu verstehen und verstanden zu werden, auch wenn die andere Person eine gegenteilige Meinung vertritt? Was wäre dann?

Der Dalai Lama und die Fliege

Tatsächlich habe ich mich heute bei folgendem Gedanken ertappt: 

Ärgert sich der Dalai Lama auch mal über eine Fliege, die ständig auf seinem Körper rumtanzt? Das würde mich wirklich mal interessieren. 

Dabei kam mir folgendes Bild: Selbst wenn er sich für einen Moment ärgern sollte, würde er in der Reflexion seiner inneren Reaktion ein Lächeln aufsetzen und darüber staunen, was ein so kleines Tierchen alles bewirken kann. Er würde die Situation und vor allem seine Person nicht so ernst nehmen und in einer konstruktiven Energie bleiben, auch wenn er sich eine Sekunde zuvor belästigt gefühlt haben sollte. 

Bei dieser Vorstellung kam mir ein Lächeln. 

Es geht nicht um die Bewertung, sondern um unseren Umgang damit. Am Ende läuft es auf die Frage hinaus: Bist du in der Lage über dich selbst zu schmunzeln und auch liebevoll zu bleiben, wenn es nicht so läuft, wie du dir das wünschst? Bist du in der Lage, auch die Stärke der Fliege anzuerkennen ohne deine eigene zu verlieren?

Das wünsche ich dir.

Fazit

Quäl dich nicht damit, nicht bewerten zu wollen. Nimm deine Bewertung vielmehr zu Kenntnis und finde sodann neue Perspektiven auf die Situation. Frage dich immer, was von dir gelernt und gesehen werden will. Bleib bei dir und überlasse der anderen Person, ob und wenn ja, was sie lernen möchte. Du bist für dich und deine Lernerfahrung verantwortlich. Die Lernerfahrung der anderen Person geht dich nichts an. Halte es wie der Dalai Lama in meiner Vorstellung mit der Fliege: Behalte dein Staunen und ein liebevolles Lächeln.

Alles Liebe

Nina

PS: Alle Stärke liegt innen nicht außen
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